Nun ist es endlich mal wieder so weit und wir können euch von unseren jüngsten Erlebnissen aus dem in jeglicher Hinsicht immer heißer werdenden Laos berichten. Und es ist wirklich eine ganze Menge geschehen in den letzten Tagen! Da wir eigentlich schon mit dem schlimmsten gerechnet hatten, war die Enttäuschung über die wirklich vollkommen überlaufene und obendrein noch verblödende Stadt Vang Vieng zwar groß, tat unserer Stimmung jedoch keinen Abbruch. Sie bestärkte uns dafür umso mehr in unserem Vorhaben, dieses Unterhaltungsparadies (oder sollte man es eher als riesige Beschäftigungstherapie bezeichnen?) lediglich als Durchgangsstation anzusehen und uns schnellstmöglich weiter gen Süden zu bewegen.
Außerdem zeigte es uns einmal mehr eindeutig auf, dass wir allem Anschein nach nicht zu denjenigen Rucksack-Reisenden gehören, die sich durch ein einseitiges Unterhaltungsangebot, in diesem Falle bestehend aus 50 % Tubing (man lässt sich auf einem Reifen Fluss abwärts treiben und steigert dabei kontinuierlich seinen Alkoholpegel) und 50 % Alkohol (bevorzugt Vodka Red Bull aus Eimern), dazu hinreissen lassen, kostbare Zeit zu verschwenden.
Also machten wir uns vergangenen Samstag morgens auf den Weg Richtung Vientiane, die Hauptstadt des Landes. Doch auch hier konnten wir uns nicht dazu hinreißen lassen, einen Teil unserer Zeit zu opfern. Zu viele Leute, mit denen wir uns bis dahin unterhalten hatten, rieten uns davon ab und erleichterten uns damit unsere Entscheidung. Denn auch uns dürstete es nach einem kräftigen Schluck der wirklichen Kultur und des ursprünglichen Laos.
Also hieß es nichts wie raus aus den Großstädten und Touristenhochburgen und ab in die Pampa!
Unser neues Ziel war ein 600-Seelen-Dorf namens Ban Na, 90 Kilometer nordöstlich von Vientiane. Dieses Örtchen wird zwar durchaus in Reiseführern ob seiner Lage am Rande des Phu Khao Khuay Nationalparks und dem zahlreichen Vorkommen von Elefanten in dieser Region erwähnt, doch scheinbar schrecken die meisten Menschen vor der entsetzlich grausamen Vorstellung zurück, ihren sicheren Käfig inmitten tausender anderer Touristen zu verlassen und sich den Gefahren (Blicken) auszusetzen, die der große weiße Mann notgedrungen auf sich zieht, sobald er seinem Gegeüber numerisch unterlegen und körperlich um ein Vielfaches überlegen ist.
Jedenfalls waren wir für die Dauer unseres zweitägigen Aufenthalts die einzigen Fremden im Dorf und das Gästebuch der einzigen Unterkunft verriet uns, dass sich hier innerhalb der letzten drei Jahre nicht mehr als 20 Touristen hinverirrt haben. Wenngleich sich die Verständigung über die Sprache als ziemlich schwierig gestaltete, konnten wir doch das Wesentliche zum Ausdruck bringen und mussten weder Hunger leiden, noch erfrieren. So bekamen wir ein Dach über den Kopf und mehr oder weniger festen Boden unter den Füßen, denn wir wohnten in einem alten Holzhaus, das auf Stelzen stand, sprich: In einem Stelzenhaus. Und von Anfang an fühlten wir uns wie in einer anderen Welt. Diese uneingeschränkte Gastfreundschaft, das riesige Interesse an Fremden und nicht zuletzt die unzählbar vielen Kinder und Jugendlichen, die uns überall hin verfolgten, sich einen Spaß aus unserer Sprache und unserem Aussehen machten und uns von weitem anlachten, zuwinkten und laut „Sabaidee“ („Hallo“) riefen, ließen diesen Ausflug sehr schnell zu einem unvergesslichen Abenteuer in einer völlig anderen Welt werden. Wir fühlten uns von Anfang an unglaublich wohl und sind sehr beeindruckt von der Lebensart außerhalb des urbanen Laos.
Ban Na ist ein typisch laotisches Dorf, in dem die Leute von der Subsistenzwirtschaft leben. Wir erfuhren, was es heißt, seinen Lebensunterhalt durch Landwirtschaft (vor allem Reis und Gemüse) und vor allem jegliche Variationen von Flechtarbeiten (Körbe, Taschen, kleine Behältnisse) zu bestreiten. Dadurch, dass alle Dorfbewohner aber auf irgend eine Art und Weise beschäftigt waren, entwickelte sich den ganzen Tag über eine für uns vollkommen unbekannte ruhige und gleichzeitig beruhigende Atmosphäre. Unsere Gastgeber, ein älteres hageres gezeichnetes Ehepaar, flochten den ganzen Tag über kleinere und größere Behälter zum Aufbewahren von Reis, während der kleine Sohn nebenher Fernsehen schauen durfte und die Tochter den Eltern zur Hand ging, Holz sowie Wasser schleppte. Es macht uns jedes Mal nachdenklich, wenn wir kleine Mädchen und alte Frauen sehen, die mit kiloschweren Lasten auf den Schultern durchs Dorf und teilweise kilometerlang neben der Straße laufen, die Felder bewirtschaften, wirklich die Drecksarbeit übernehmen (müssen), während die kleinen Jungs vor dem Fernseher sitzen und ihre Väter Bus oder Tuk-Tuk fahren, Boule spielen und mit ihrem Bier beieinander sitzen).
Die beiden Tage in Ban Na jedenfalls haben uns einen beeindruckenden Einblick in das ländliche leben gegeben. Wir haben den Eindruck, viel über das Wesen und die Mentalität der Menschen gelernt zu haben, haben viele Menschen in unser Herz geschlossen und sind doch auch „platt“ von der tollen gemeinschaftlichen Atmosphäre und dem eng verbundenen familiären Zusammenleben der Menschen, sodass uns diese kurze Zeit abseits jeglicher gewohnter Wege und ohne den Einfluss des Tourismus teilweise wie ein Märchen vorkam, auch wenn die Dorfbewohner selbst ihrem Leben wahrscheinlich nicht viel märchenhaftes abgewinnen können.
Wir freuen uns sehr darüber, diese Chance bekommen zu haben und sehen zu dürfen, wie viel Freude unsere Anwesenheit hervorrief, sodass es uns am Ende wirklich schwer viel, uns von unseren beiden Gastgebern zu trennen, mit denen wir gemeinschaftlich zusammen saßen und aßen (Lao Food wie es mehr Lao nicht geht!) und denen wir trotz der sprachlichen Hürden doch unsere Dankbarkeit zeigen konnten. Wir werden diese lieben freudigen Blicke nicht vergessen!
Doch so schwer uns der Abschied auch fiel wollten wir doch auch weiterziehen und weitere neue Dinge kennen lernen. Unser Hunger war also gerade erst geweckt. Und so begaben wir uns auf den – schenkte man unserem Reisführer Glauben — schwierigen Weg zur Kalksteinhöhle „Tham Lot Kong Lo“.
Dieser Weg führte uns zunächst einmal in ein weiteres kleines Dorf am Rande der Route 13, der einzigen Straße von Nord nach Süd. Dieser Ort liegt wirklich malerisch auf einer Festlandzunge, umgeben von den beiden Flüssen Nam Kading und dem Mekong, die an dieser Stelle zusammentreffen. Dort beobachteten wir am Abend von einer Brücke aus den Sonnenuntergang und sahen den Fischern zu, die nach und nach den kleinen Hafen mit ihren schmalen Kanus verließen und ihre Netze auswarfen. Auf dem Rückweg zu unserem Guest House wurden wir dann von der doch schon ziemlich angeheiterten Dorfjugend angesprochen und gesellten uns mit unserem „Beer Lao“ zu ihnen und ihrem Boule-Spiel. Es war für uns eine große Freude, so nahe mit den sonst so schüchternen jungen Leuten in Kontakt zu treten und so auch mehr über deren Machen und Tun zu erfahren. Die Verständigung fiel ziemlich leicht, sodass wir bis 23 Uhr miteinander plauderten und uns wirklich amüsierten. Ziemlich skurril wurde es, als zwischendurch ein weiterer Mann wortlos hinzu kam und plötzlich eine riesige Schrotflinte in der Hand hielt, mit der er sich auf nächtliche Büffeljagd begab.
Am nächsten Tag nahmen wir ein Tuk-Tuk in das benachbarte Phonsi, von wo aus wir uns auf den Weg zur Höhle machen wollten. Eine Gruppe doch schon sehr erheiterter Männer (es war gerade 11 Uhr!) machte uns jedoch klar, dass dies von hier aus nicht ginge, wir sollten in ein anderes Dorf fahren. Nachdem sie uns davon überzeugt hatten, es sei doch das beste, vor der langen Fahrt noch drei bis vier kalte Bierchen in Laos-Manier die Kehlen hinunterzuschütten, machten wir uns schließlich ebenfalls amüsiert auf den weiteren Weg. Auch hier heimsten wir wie schon öfter Komplimente von mit uns auf den Bus wartenden Schülern ein (Elli ist immer noch „biutiful“, Felix dagegen „handsome“). Weiter ging es mit dem Public Bus. Dieser ist grundsätzlich im Schneckentempo unterwegs. Dies liegt erstens daran, dass jeder Mensch, der am Straßenrand seinen Arm hebt, extra eingesammelt wird uns somit innerhalb von 100 Metern vier Mal angehalten, das Gepäck neu aufgeschnürt wird und die Plätze neu verteilt werden. Zum zweiten rennen bei jedem Halt Frauen (oder sind es aufgescheuchte Hühner?) in den Bus und verkaufen Mais, Fisch, Kekse und getrocknetes Fleisch (weil sich alle damit eindecken, herrscht die ganze Fahrt über ein wirklich reizender Duft). Der dritte Grund ist, dass hier grundsätzlich unbegrenzt viele Menschen eingeladen werden und sich teilweise die Unterbringung nicht gerade einfach gestaltet, gerade wenn der Boden mit Reissäcken bedeckt ist und sich auf dem Dach schon geschätzte vier Tonnen Ware befinden.
Doch das Reisen in diesen Bussen, gerade auf einem Hocker im Mittelgang sitzend und den laufenden Fernseher mit seinem Dickschädel verdeckend, ist ein lustiges Ereignis, welches durch die gnadenlos bis zum Anschlag aufgedrehte vor Herzschmerz triefende und an Kitsch kaum zu überbietende nervtötende laotische Musik sein i-Tüpfelchen aufgesetzt bekommt.
Unsere eigentliche Reise jedoch begann dann in Vieng Kham. Von dort aus wurden wir mit einem Pick-Up in ein kleines, aus fünf Häusern bestehendes Dörfchen inmitten von nichts gefahren. Warum wir für das anschließende Stück von 40 Kilometer jedoch mehr als vier Stunden benötigen sollten, das konnten wir uns zu diesem Zeitpunkt auch nicht erklären. Doch diese Fahrt übertraf jegliche Vorstellungen. Es ging über einen staubigen Feldweg, der von der Sonne völlig ausgetrocknet und von der vergangenen Regenzeit total ausgewaschen war und unter normalen Umständen völlig unpassierbar gewesen wäre. Doch die Definition eines normalen Umstandes — das haben wir jetzt auch gelernt — ist nicht universal, sondern von Land zu Land unterschiedlich. In Laos ist es nun einmal ein normaler Umstand, sich in ein Tuk-Tuk zu setzen und damit über Gelände zu tuckern, das selbst die Stoßdämpfer eines Monster-Trucks extremsten Belastungen aussetzen würde. So dopste die mitfahrende Frau bei jeder definierten Unebenheit wie ein Dopsball 20 Zentimeter in die Luft und wir bekamen langsam ein taubes Gesäß. Nichts desto Trotz war auch diese Fahrt ein wahres Abenteuer, das uns durch die abgelegensten Gebiete durch winzige Dörfer über endlos weite Reisfelder führte und uns noch tiefere Einblicke in das Leben hier gaben. Kurz vor Ende der Fahrt luden wir in einem kleinen Dorf ein Motorrad ab, welches die ganze Fahrt über den Fußraum ausfüllte und teilweise kurz davor war, als Haufen Schrott anzukommen. Hier wurden wir von den Menschen, die die Ankunft des Gefährts scheinbar sehnlichst erwartet hatten, entgeistert angeschaut und hatten das Gefühl, dass einige dieser Leute noch nie zuvor einen weißen Menschen gesehen hatten. Auch dadurch fühlten wir uns in unserer Annahme bestärkt, dass nicht viele Touristen diesen mühsamen Weg auf sich nehmen. Wir fuhren also bis in die Dunkelheit hinein und kamen schließlich in unserer nächtlichen Unterkunft in Phon Nyaeng an. Von diesem winzigen Dorf aus machten wir uns am folgenden Tag in aller Früh auf in Richtung der Höhle. Und unseren Entschluss, die acht Kilometer lange Fahrt zur Höhle auf dem Flüsschen „Nam Hin Bun“ mit einem motorisierten Kanu zurück zu legen, sollten wir nicht bereuen.
Wiederum waren wir die einzigen beiden Touristen und die Fahrt auf dem türkisfarbenen Fluss war unsagbar schön und beeindruckend, auch wenn das Leben zu dieser Zeit (um 8 Uhr) noch nicht erwacht war. Außer ein paar wenigen Enten blieb unsere Fahrt weitgehend unbeachtet, während wir die einenhalb Stunden wirklich genossen. Einen Kilometer vor der Höhle wurden wir von unseren zwei Guides in einem anderen Boot zur Höhle gefahren und konnten es einfach nicht fassen. Tham Lot Kong Lo ist eine sieben Kilometer lange und an manchen Stellen 100 Meter breite und 100 Meter hohe Kalksteinhöhle, durch die sich der Fluss hindurch windet. Es gibt keinerlei Lichtquelle außer den Taschenlampen, mit denen wir uns den Weg leuchteten. Immer wieder mussten wir aus dem Boot aussteigen und es über felsige Stromschnellen innerhalb der Höhle ziehen. In der Mitte der Fahrt stiegen wir dann aus, um ein Stück in einen Seitenarm der Höhle zu laufen und uns dort riesige Tropfsteine anzusehen. Die Guides machten Musik, indem sie auf verschieden große und unterschiedlich geformte Stalagmiten und Stalagtiten klopften und die riesige scheinbar nur uns gehörende Höhle ließ die Töne ganz fein erklingen. Bis auf das Rauschen des Flusses kein Ton zu hören — bis wir wieder unseren Motor anschmissen und weiterfuhren.
Die Fahrt vom West- zum Osteingang der Höhle dauerte etwa eine Stunde und nach einfacher Durchfahrt machten wir in einem kleinen Dorf im Wald Halt, um Mittag zu essen. Auch hier wurden wir angeschaut, als ob wir von einem anderen Stern kämen, die Älteren winkten uns wieder zu und begrüßten uns, freuten sich, uns zu sehen. In Erinnerung bleiben uns auch die zwei kleinen Jungs, die jeweils mit einer Steinschleuder bewaffnet aus dem Wald auf uns zukamen und als Beute einen kleinen grell-grünen Vogel in der Hand hielten. Nach fünf Stunden machten wir uns wieder mit dem Kanu auf den Weg Richtung Guest House. Und nun zeigte sich der Fluss von seiner anderen Seite. Wo morgens noch tote Hose war, badeten jetzt kleine Kinder im Fluss, Frauen wuschen Wäsche oder arbeiteten auf den umzäunten direkt an den Fluss angrenzenden Feldern, junge Männer standen mit ihren Harpunen im Wasser und warteten auf Beute, Wildschweine suhlten sich am Ufer, es gab rote Libellen, kleine fliegende Fische und große Herden mächtiger Wasserbüffel lagen faul auf dem Land oder wateten gemütlich durch das kniehohe Wasser. An einer tieferen Stelle badete sich einer der Kolosse und flüchtete sich gerade in dem Moment vor unserem Boot, als wir schon auf seinem Rücken auflagen. Wir wurden ein wenig angehoben und gerieten in Schräglage, aber der Fahrer hatte alles im Griff…
Der Tag war für uns unvergesslich und ist ein kleiner Höhepunkt unserer bisherigen Reise. Wir sind einfach glücklich, diese Anstrengungen auf uns genommen zu haben, denn dieses Land ist es wirklich mehr als Wert.
Seit Dienstag Nacht sind wir nun in Savannakhet, haben also ein ganzes Stück zurückgelegt. Hier nutzen wir die Zeit, das lang ersehnte warme Wasser zu genießen und die Vorzüge des Internets auszunutzen. Gestern Abend saßen wir lange Zeit mit zwei Spaniern und dem uns seit Laos verfolgenden unglaublich lieben Argentinier Gabriel zusammen, der seit einigen Jahren durch die Welt tingelt. Wir haben uns auf dem Boot nach Luang Prabang auf dem Mekong kennen gelernt und treffen uns seitdem zufällig in jeder Stadt wieder. Die Welt scheint winzig zu sein!
Dies waren nun die Erlebnisse der letzten Tage und wir hoffen, euch allen geht es gut!!!
Seid alle lieb gegrüßt!!!
Eure Flugulus
PS: Herzliche Glückwünsche „zu Atlanta“ an unseren Withtraveller. Deine Schwester ist stolz auf dich!!!
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