In La Paz bot sich uns eine einmalige Möglichkeit: Kate und Lars Kristian hatten uns davon berichtet, dass sie gerne eine Bootsfahrt in den Dschungel machen würden, dazu aber noch mindestens zwei Personen bräuchten – uns! Also war unsere Wiedervereinigung nach fünf Tagen perfekt und wir wurden morgens um 7 Uhr mit Musik und Bier überrascht. Schön! Wie sich herausstellte, mussten wir uns noch zwei Nächte gedulden. Zeit, sich zusammen mit den beiden und Flo aus Flensburg auf dem Zimmer unseres Hostels ein paar Drinks zu gönnen und anschließend das Nachtleben der Metropole auszukosten.
Zwei schöne Abende in dieser tollen Stadt, die einen unwillkürlich „aufsaugt“ und nicht mehr loslässt. Alle Straßen sind im 45-Grad-Winkel angelegt, sodass man der Stadt ihre Größe eigentlich nicht wirklich anmerkt. Ein fantastisches Panorama umgibt die Stadt: Dominiert wird das Stadtbild vom 6.462 Meter hohen Illimani, einem schneebedeckten Gipfel, zu dessen Fuße die Stadt auf 3.600 Metern entstand. Die steilen Hänge rund um die Stadt sind bis auf den letzten Zentimeter zugebaut, ausschließlich unverputzte rote Backsteinhäuser. Überall herrscht rege Geschäftigkeit, die Straßen sind voll von Menschen und Bussen, aus denen kleine Jungen lauthals um Fahrgäste werben. Der Sonntagsmarkt ist phänomenal (frische Säfte, Früchte und jede Menge Essen zu Spott-Preisen), Alpaca-Kleidungsstücke in allen Größen und Varianten, vor unserem Hostel der berühmte „Hexenmarkt“, auf dem mit rituellen Waren gehandelt wird. Auffällig sind hier vor allem die vielen getrockneten Lama-Föten in allen Größen, Leoparden-Felle, ausgestopfte Vögel und Füchse und eine unendliche Auswahl an potenzsteigernden Mitteln. Eine Stadt, die einen – wenn man nicht aufpasst — wirklich nicht mehr loslässt.
Wir hatten jedoch einen konkreten Plan, der nun auch unter Dach und Fach war: Am nächsten Morgen machten wir uns in einem Jeep auf den Weg Richtung Beni, einem Nebenfluss des Amazonas, der in den Regenwald nach Rurrenabaque führt. Es waren weitere vier Personen gefunden, sodass nun insgesamt acht Personen die dreitägige Flussfahrt mitmachten. Nachdem wir alle unseren Platz im Boot gefunden hatten, ging es stromaufwärts, bis wir den Ort unser nächtlichen Unterkunft ereicht hatten: Ein kleines Stück feiner Sandstrand direkt am Fluss, umgeben vom Regenwald, einen besseren Ort hätte man kaum wählen können. Der Strand übersät mit tiefen Fußabdrücken. Wie uns unser Guide Ivan mitteilte, handelte es sich dabei um die Spuren von Capybaras, den größten Nagetieren der Welt, bis zu 60 Kilogramm schwer. Eine Vielzahl tropischer Schmetterlinge und das Geräusch des tiefen Urwalds machten die Nacht zu einer ganz besonderen. Exzellentes Essen am Fluss und eine schwüle Nacht in unseren Zelten, danach ging es weiter. Weitere vier Stunden trennten uns von einer kleinen Dorfgemeinschaft am Rande des Flusses inmitten von Bananenstauden und Regenwald. Nicht mehr als zwei Dutzend Einwohner, kleine Schule für die sieben Kinder, drei Häuser, das war’s. Nach dem Mittagessen erwartete uns eine Wanderung durch den Wald: Blattschneideameisen, die unermüdlich Blätter in ihren Bau tragen, ein Kolibri und ein anschließendes Piranha-Fischen (ja, diese in diesem Falle grellgelben Viecher beißen wirklich nach wenigen Sekunden an) an einem ruhigen Teich waren hier die Höhepunkte, danach wartete der hellbraune Fluss mit seinen Stachelrochen auf uns, da es natürlich keine Duschen gab. Die nächtliche Wanderung nach dem Abendessen durch den Wald versüßten uns dann auch tatsächlich einige kleine Affen mit ihrer Anwesenheit. Eine aufregende Situation, nur unser Guide und die Taschenlampen ermöglichten es uns, einen Blick auf die scheuen Kreaturen zu erhaschen.
Anschließend zogen die einheimischen Kinder ihre Aufmerksamkeit auf sich und waren nur sehr schwer davon zu überzeugen, ins Bett zu gehen. Sie konnten sich stundenlang mit Lars Kristian im Zelt vergnügen, fanden unsere Kameras verständlicherweise sehr aufregend, entzückten uns mit selbstgebastelten Papierfiguren und entdeckten die Möglichkeit, uns als Pferde zu benutzen und ließen sich durchs ganze Dorf tragen. Tolle Momente, die sicherlich lange in Erinnerung bleiben. Trotzdem musste es am folgenden Tag weitergehen, schließlich stand ein absolutes Highlight auf dem Programm: Eine lange Wanderung durch den „Parque Nacional Madidi“, der eines der intaktesten Ökosysteme dieser Welt beherbergt und als einer der artenreichsten Naturschutzgebiete des Kontinents gilt. Es handelt sich um einen Urwald, das heißt die Bäume sind teilweise mehrere hundert Jahre alt. Der Regenwald machte seinem Namen alle Ehre: Es regnete. Trotzdem wollten sich die Affen nicht vor uns verstecken und wir bekamen eine spektakuläre Show von drei riesigen rot-blauen Aras, die mit ohrenbetäubendem Geschrei auf sich aufmerksam machten und mit einer Größe von bis zu einem Meter gigantisch aussehen. Außerdem beherbergt dieser Nationalpark eine unfassbare Pflanzenvielfalt, kaum ein Baum gleicht dem anderen. Riesige Lianen, Medizinbäume, laufende Bäume, dichte Vegetation. Einmal richtig im Dschungel, schon ein tolles Gefühl. Danach führte uns der Fluss durch ein steiles Flusstal und setzte uns letztendlich nach drei tollen Tagen an unserem Zielort Rurrenabaque ab. Keiner von uns bereute es, nicht wie üblich mit dem Flugzeug geflogen zu sein. Zu schön war unsere Zeit auf dem Boot, mit den Menschen im Dorf und unsere kleinen Expeditionen in den Regenwald.
Auch wenn die Stadt hier offensichtlich nur vom Tourismus lebt, war uns Rurrenabaque eigentlich sehr sympathisch. Es gab nicht viel zu tun, lediglich ein Tour-Anbieter musste unter zwei Dutzend verschiedenen Unternehmen ausgesucht werden, schließlich wollten wir uns den dreitägigen Trip in die „Pampas“ nicht entgehen lassen. Diese Bootstour führt entlang des Yucuma-Fluss durch eine Sumpf- und Wiesenlandschaft, das gesamte Tierleben konzentriert sich also an diesem Strom. Die Tour versprach also jede Menge Tiere…und wir wurden nicht enttäuscht.
Schon auf dem Weg in unser Schlafquartier für die kommenden zwei Nächte, eine gemütliche kleine Holzhütte auf Stelzen über dem Wasser gebaut und überaus komfortable Hängematten mit Blick auf den Fluss, kamen wir in den Genuss von drei verschiedenen Affenarten, von denen eine Horde kleiner gelber Primaten überfallartig unser Boot stürmte und Elisabeth einen Lachanfall bescherten. Immerhin saßen zwischenzeitlich acht kleine Äffchen auf ihrem Kopf und Schoß und versuchten, von unserem Guide eine Banane zu ergattern. Nach diesem ersten Höhepunkt bekamen wir noch Kaimane, Alligatoren, große Wasserschildkröten und pinkfarbene Delfine zu Gesicht. Eine überwältigende Artenvielfalt, aus der vor allem die unerschöpfliche Anzahl von großen Raubvögeln, Kormoranen und Paradiesvögeln hervorstach. Eine Anaconda ließ sich zwar auf Grund des hohen Wasserstandes trotz großer Anstrengung nicht finden, dafür konnte unser Guide aber eine gelbe Kobra und einen kleinen Baby-Kaiman fangen, was uns dann auch befriedigte.
An den Abenden gab es gutes Essen und anschließend ging es mit Bier und Wein in die Hängematten. Umgeben von einem atemberaubenden Stück Erde, beschützt von unseren zwei Haus-Alligatoren, die die drei Tage lang geduldig ausharrten und unsere Aufmerksamkeit auf sich zogen. Drei wunderschöne und vor allem entspannende Tage nahmen ihr Ende und wir hätten wohl mit Leichtigkeit noch zwei Wochen hier unter all den Tieren in unseren Hängematten verharren können, aber so ist das nun mal, wenn man auf Reisen ist…
Nach unserer Rückkehr nach Rurrenabaque nutzten wir dann unseren letzten Abend im sagenumwogenen Amazonas-Becken und schossen uns mal wieder seit langer Zeit richtig die Lichter aus. Elisabeth und Kate waren dafür bestens geeignet, auch wenn am Ende dann nur noch die Männer zu Gange waren und Lars Kristian, Felix und Tom aus England etwas über das Ziel hinausschossen. Ein widerlicher letzter Sambuca brachte Felix’ persönliches Fass in der Nacht dann mehrmals zum Überlaufen und auch der nächste Tag war somit so gut wie gelaufen. Es gab nur ein Problem: Wir hatten ein altes klappriges Flugzeug der Militär-Fluggesellschaft, welches uns zurück nach La Paz bringen sollte. Nichts für schwache Nerven und erst recht nicht für einen schwachen Magen. So kam es uns aber gerade recht, dass das Flugzeug wie ein Linienbus alle 20 Minuten zum klapprigen Landeanflug ansetzte, um ein paar Menschen aus- und einzuladen, ehe es unter für Flugzeuge eher ungewöhnlichem Getöse wieder abhob, letztendlich aber sicher in der Hauptstadt La Paz ankam und wir nach einer Woche wieder zurück im Großstadt-Dschungel waren. Der riecht zwar nicht so gut wie sein grüner Verwandter, kann aber durchaus ähnlich faszinierend sein, zumal sich hier ebenfalls einige skurrile bunte Vögel herumtreiben.
Eine letzte gemeinsame Nacht mit Kate und Lars Kristian, die wir uns mittlerweile nicht mehr wegdenken konnten, zu vertraut waren wir uns schon, zu viel Scheiß hatten wir miteinander gebaut, zu viele tolle Abende erlebt. Zu gerne hatten wir uns einfach! Trotzdem hieß es Abschied nehmen. Und dieser fiel dann trotz der tollen drei gemeinsamen Wochen doch nicht zu schwer, wissen wir doch, dass wir uns spätestens in vier Jahren in Berlin treffen. Ein Bett in Montreal und Bergen haben wir auch sicher, warum dann Trübsal blasen!?!
Wir nutzten dann noch zwei Tage in La Paz zur Akklimatisierung (immerhin 3.500 Meter Höhenunterschied) und verließen die Hauptstadt Richtung Copacabana.
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