Gleich bei unse­rem ers­ten Früh­stück in einem Café in Tupi­za mach­ten wir Bekannt­schaft mit Lars Kris­ti­an, einem Nor­we­ger, und der Kana­die­rin Kate. Aus einem typi­schen 08/15-Small­talk ent­wi­ckel­te sich dann schließ­lich die Idee, die vier­tä­gi­ge Tour in die Salz­wüs­te bei Uyu­ni gemein­sam zu machen. Was zuerst rein wirt­schaft­li­che Grün­de hat­te (je mehr Leu­te, des­to bil­li­ger, wir zahl­ten also für vier Tage nur 125 Dol­lar), ent­wi­ckel­te sich als groß­ar­ti­ge Ver­bin­dung. Wir waren ein­fach auf der glei­chen Wel­len­län­ge unter­wegs, ver­stan­den uns von Anfang an gut und hat­ten das gro­ße Glück, dass wir den glei­chen Humor teil­ten. So ent­schlos­sen wir bei­de uns also dazu, nicht län­ger in Tupi­za zu blei­ben, son­dern gleich am nächs­ten Tag zu star­ten.

Abends wur­de auf die nächs­ten gemein­sa­men Tage ange­sto­ßen und am nächs­ten Mor­gen um 9 Uhr ging es los: Ein Fah­rer und zugleich Gui­de, Mar­tin, die Köchin Sonia (über die gesam­te Zeit hat­ten wir aus­ge­zeich­ne­tes und mehr als genug Essen), fünf auf­ge­reg­te Tou­ris­ten (immer­hin gilt der Trip als einer der abso­lu­ten Höhe­punk­te des gesam­ten Kon­ti­nents) und Ver­pfle­gung für vier Tage fan­den in bezie­hungs­wei­se auf einem Jeep Platz und bahn­ten sich ihren Weg in Rich­tung des Reser­vats.
Sie­ben Stun­den Fahrt bis zum Tages­ziel, einer klei­nen Dorf­ge­mein­schaft am Ran­de des Natur­schutz­ge­bie­tes, Über­que­rung eines Pas­ses auf über 5.000 Metern Höhe (ja, da wur­de die Luft schon ganz schön dünn!!!), Aus­bli­cke auf unend­li­che Wei­ten unbe­sie­del­ten Lan­des, schnee­be­deck­te Gip­fel, tie­fe Täler. Spä­ter Mit­tag­essen zusam­men mit unzäh­li­gen Lamas mit­ten in der Pam­pa, anschlie­ßend atem­be­rau­ben­de Bli­cke auf die von fern schim­mern­de Anden-Kor­dil­le­re mit ihren impo­san­ten Vul­ka­nen und blen­den­den Sechs­tau­sen­dern. Vor dem Abend­essen dann ein schein­bar locke­res Fuß­ball­spiel mit der ein­hei­mi­schen Dorf­ju­gend, der Groß­teil von ihnen unter zehn Jah­re alt, alle mit der mar­kan­ten Horn­haut auf den Wan­gen. Preis für den Sie­ger: Eine Fla­sche Coca-Cola. Doch die Knirp­se hat­ten eine Trumpf­kar­te, die wir alle unter­schätzt hat­ten: Sie waren an die Höhe gewöhnt. 4200 Meter immer­hin, kei­ner von uns hat­te die­ses wohl­be­kann­te Phä­no­men rich­tig ernst genom­men, nun konn­ten wir nach­voll­zie­hen, war­um die Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft Ecua­dors regel­mä­ßig Bra­si­li­en und Argen­ti­ni­en mit Leich­tig­keit besiegt und ein Hai­le Gebrsel­as­sie aus Äthio­pi­en zusam­men mit sei­nen Lands­män­nern seit Jah­ren alle Aus­dau­er­dis­zi­pli­nen domi­niert. Nach fünf Minu­ten lagen wir flach, Blut im Mund, die Lun­gen völ­lig aus­ge­pumpt. „Boli­via Cham­pi­on“ wur­den wir ver­höhnt. Es sei ihnen gegönnt! Nachts dann eisi­ge Käl­te, doch für aus­rei­chend Decken war gesorgt.
Der nächs­te Tag soll­te dann der längs­te von allen wer­den. Uns stan­den zehn Stun­den bevor. Voll­kom­men begeis­tert vom ers­ten Tag waren wir uns sicher, dass uns auch die nächs­ten bei­den Tage nicht lang­wei­lig wer­den wür­de, doch was uns dann tat­säch­lich erwar­te­te, konn­ten wir uns im Vor­aus nicht annä­hernd vor­stel­len und kön­nen es bis heu­te auch eigent­lich nicht so rich­tig fas­sen. Es ist unmög­lich, die­se Erleb­nis­se in Wor­te zu fas­sen. Es eröff­ne­te sich uns eine Land­schaft wie von einem ande­ren Stern. Uner­klär­lich und unfass­bar, wie so etwas ent­ste­hen kann, zu irre­al wirkt die­ser Ort. Es sind jene Momen­te, in denen man nach­voll­zie­hen kann, war­um Men­schen spi­ri­tu­ell wer­den, zu abs­trakt ist die Vor­stel­lung, dass die­se Land­schaft ein „nor­ma­les“ natür­li­ches Ergeb­nis kli­ma­ti­scher Vor­aus­set­zun­gen und sei­ner geo­gra­phi­schen Lage sein soll.
Die Fahrt durch die Wüs­te — unser Rei­se­füh­rer beschreibt sie als „sur­rea­ler als ein Dalí“ — lässt uns alle für lan­ge Zeit sehr still wer­den. Wir alle sind mit unse­ren Gedan­ken beschäf­tigt, es treibt einem unwill­kür­lich Trä­nen in die Augen, Gän­se­haut die gan­ze Fahrt über. Über 30 Grad Außen­tem­pe­ra­tur. Es ist über­wäl­ti­gend, auf so etwas kann man nicht gefasst sein. Die mensch­li­che Vor­stel­lungs­kraft reicht dazu bei wei­tem nicht aus; es ist zu schön um wahr zu sein. Eine nie­mals enden wol­len­de Wüs­ten­land­schaft, unzähl­bar vie­le Vul­ka­ne, die in den ver­schie­dens­ten Pas­tell­far­ben leuch­ten, blau­er Him­mel, eine Lagu­ne nach der ande­ren, die tür­kis­far­be­ne Lagu­na Ver­de, die tief­ro­te Lagu­na Colo­ra­da, Lagu­na Blan­ca blen­dend weiß wegen Borax, tau­sen­de pink­far­be­ne Fla­min­gos, die einen unge­heu­ren Lärm machen, eine Sze­ne­rie wie man sie sich nicht erträu­men könn­te, ein­fach Wahn­sinn. Nach zwei Tagen dro­hen uns die Ein­drü­cke zu erschla­gen, der Kopf ist nicht mehr in der Lage, alles auf­zu­neh­men. Es ist schlicht zu viel, die Gedan­ken wer­den blo­ckiert. Ins­ge­samt knapp 1000 Kilo­me­ter (!). Zeit, zurück zur Rea­li­tät zu kom­men. Zeit, die uns aller­dings auf die­sem Trip nicht gelas­sen wird. Die Nacht ver­brach­ten wir in einem der welt­weit weni­gen Salz­ho­tels. Eine Her­ber­ge kom­plett aus Salz, man möch­te am liebs­ten die gan­ze Nacht lang an den Wän­den lecken. Unse­re letz­te Nacht und zugleich ein Vor­ge­schmack auf den vier­ten Tag.
Denn der vier­te Tag brach­te dann eine völ­lig unter­schied­li­che Land­schaft, die jedoch nicht min­der unwirk­lich erscheint: Wir erreich­ten den Salar de Uyu­ni, einen der größ­ten Salz­se­en der Welt!
Von der Insel Inca­hua­si aus, die mit über zehn Meter hohen Kak­te­en über­sät ist, hat man die per­fek­te Pan­ora­ma-Aus­sicht: Zu allen Him­mels­rich­tun­gen bis zum Hori­zont Salz, blen­dend wei­ßes Salz, kei­ne Chan­ce ohne Son­nen­bril­le. Win­zig klein erschei­nen die rie­si­gen Ber­ge am Ran­de der Salz­wüs­te. In der Tro­cken­zeit ist der See tro­cken und lässt an man­chen stel­len eine über 30 Meter (!) dicke Salz­schicht ent­ste­hen. Über vier Stun­den braucht man bei maxi­ma­ler Geschwin­dig­keit in einem Jeep, um den Salar zu durch­que­ren. In der Mit­te des Sees dringt Salz­was­ser von unten an die Ober­flä­che, ver­duns­tet und lässt Salz­li­ni­en zurück, die sym­me­tri­sche sechs­ecki­ge „Flie­sen“ bil­den und so den Ein­druck erwe­cken, der See sei „zuge­ka­chelt“. Dimen­sio­nen, die einen sprach­los machen…
Mit die­sem Ein­druck ver­lie­ßen wir die Schein­welt und kehr­ten zurück in die Rea­li­tät, die da hieß: Uyu­ni, ein klei­nes tou­ris­ti­sches Städt­chen am Ran­de des Salar.
Ein abso­lu­tes High­light unse­rer Rei­se, eine Erfah­rung, die man wahr­schein­lich nur ein­mal im Leben macht!